Eine Ihrer Produktionen beschäftigt sich mit einer erst in den 1980er Jahren wiederentdeckten Pionierin der Abstrakten Malerei: Jenseits des Sichtbaren: Hilma af Klint. Die schwedische Malerin beschäftigte auch die Spiritualität, die Welt jenseits, eben, wie der Titel suggeriert, des Sichtbaren. Was war Ihre Faszination mit ihr, was war Ihr Zugang zu dieser Frau?
Dazu möchte ich ein wenig ausholen und ein paar historische Fakten und Hintergründe zum Leben Hilma af Klints beleuchten: Hilma af Klint war eine selbstbewusste, gebildete Frau aus adeligem Hause und hat an der Königlichen Kunstakademie in Stockholm studiert – damals, um die 1880er Jahre war dies in Schweden bereits möglich. Sie war also eine gut ausgebildete Malerin, hat sich jedoch früh für ihren eigenen Weg entschieden: Sie wandte sich von der gegenständlichen Malerei ab und hin zur Abstraktion. Das bedeutete, dass sie als Malerin kein Geld verdienen konnte und es als Künstlern schwer haben würde, Anerkennung zu finden – im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen. Der Zeitgeist damals besagte nämlich, dass Männer Genies sein konnten, Frauen jedoch nicht. Einer der berühmtesten Vertreter der Abstrakten Kunst ist Wassily Kandinsky – er gilt als Pionier der Abstraktion und war ein Zeitgenosse Hilma af Klints. Er setzte sich genauso wie viele andere Künstler und Intellektuelle dieser Zeit mit Spiritualität und okkulten Themen auseinander. Das war nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich allerdings war, dass eine unverheiratete Frau aus Schweden das tat und schon vor Kandinsky abstrakt malte. Sie hat zudem in Serien gemalt und teilweise in riesigen Formaten. Ihre größten Bilder messen 3,20x 2,30 Meter und ihr Gesamtwerk umfasst über 1.000 Gemälde – das ist überwältigend. Die Tatsache, dass sie Künstlerin, Theosophin und Anthroposophin war und der Fakt, dass sie eine Frau war, verwehrten Hilma af Klint zu Lebzeiten und noch viele Jahrzehnte danach die angemessene Anerkennung als Künstlerin. Sie wurde erst in den letzten Jahren in den internationalen Kanon der Abstrakten Kunst aufgenommen und ist mittlerweile in Kunstkreisen und darüber hinaus zu großer Bekanntheit gelangt. Die Ausstellungen der letzten Jahre in den großen Museen Europas und weltweit – u.a. im Guggenheim New York sorgten für Furore und hatten zahlreiche Besucherrekorde.
Das erste Mal „begegnet“ bin ich Hilma af Klint 2013 in einer Ausstellung in Berlin im Museum Hamburger Bahnhof und war zutiefst beeindruckt von Ihrer Kunst und Ihrer Bildsprache. Als meine Kollegin und Regisseurin Halina Dyrschka und ich uns dann in der Folge mit der Persönlichkeit und dem Leben Hilma af Klints beschäftigten, war sofort klar, dass wir einen Film über diese außergewöhnliche Frau und Künstlerin machen wollen. So haben wir uns auf eine abenteuerliche Reise begeben, die sechs Jahre dauerte und uns viel Mut, Standhaftigkeit, Überzeugungskunst, Durchhaltevermögen und Leidenschaft abverlangt hat, um schließlich mit unserem Kinodokumentarfilm in 2019 die Weltpremiere in Schweden zu feiern.
Faszinierend an Hilma af Klint finde ich, dass sie eine wahre Pionierin und Vorreiterin war und ihrer Zeit weit voraus. Sie ist schon früh ihren eignen Weg gegangen und hatte eine ganzheitliche Sicht auf die Welt. Entgegen allen Konventionen und damaligen gesellschaftlichen Normen ließ sie sich auf Ihrem Weg nicht beirren und ist sich bis zu ihrem Tod treu geblieben. Ihr Leben und ihre Kunst zeugen von einem tiefen Verständnis des Lebens selbst. Ihre Botschaft ist aktueller denn je: Wir alle sind ein Teil eines größeren Ganzen - es ist nicht entscheidend, was wir erreichen, ob wir berühmt, erfolgreich, wohlhabend sind oder eben scheitern und unzufrieden sind. Am Ende zählt, ob wir die Herausforderungen des Lebens annehmen, sie meistern und die Chance ergreifen, uns auf unserem Lebensweg zu entwickeln und zu entfalten. Ob wir einen Sinn in unserem Denken und Handeln erkennen und unseren Platz in diesem Leben gefunden haben. Letztlich kehren wir am Ende zu uns selbst und zu unseren Ursprüngen zurück.