☛ Filmproduzentin

 
Evi Illmer war so begeistert von der Lebensgeschichte der schwedischen Malerin Hilma af Klint, dass sie mit der Regisseurin Halina Dyrschka einen Dokumentarfilm über jene Frau realisierte, die sich bereits vor dem Pionier der Abstraktion, Wassily Kandinsky, in großformatigen Werken dem neuen Genre zuwandte. Trotz ihrer jungen Jahre hat auch Evi Illmer eine Wegstrecke hinter sich, die vom familiären Hotel und der Ausbildung im Gastgewerbe zum Studium nach Salzburg, etlichen internationalen Projekten und wieder zurück nach Südtirol führte.
Sie kommen aus einer Hoteliersfamilie und gingen zuerst den traditionellen Weg: Hotelfachschule, die Arbeit im Familienhotel, dann in verschiedenen Betrieben in anderen Ländern. Was motivierte Sie, dann doch Kommunikationswissenschaft zu studieren und Filme zu produzieren?

Als ich die Matura an der Landeshotelfachschule in Meran gemacht habe, hatte ich bereits den Entschluss gefasst, zu studieren. Schon als Jugendliche war mir klar, dass ich studieren werde, dass ich, wie man so schön sagt „In die Welt hinaus“ und meinen Horizont erweitern wollte – das war immer mein Herzenswunsch. Dennoch wollte ich zuerst mehr Praxiserfahrung in der Spitzengastronomie sammeln und mir in Ruhe das passende Studium aussuchen. So habe ich nicht direkt nach der Matura, sondern erst mit 23 Jahren das Studium der Kommunikationswissenschaft an der Universität Salzburg aufgenommen. Für mich hat sich das als großer Vorteil erwiesen - hatte ich doch eine gute Ausbildung absolviert und bereits mehrere Jahre Arbeitserfahrung in der Hotellerie gesammelt. Diese Basis hat mir erlaubt, mich im Studium und im weiteren Berufsleben auf ganz andere Schwerpunkte zu konzentrieren und andere verborgene Talente in mir wach zu rufen. Das alles hat mich schließlich zur Filmproduktion geführt.


Welche Basis hat das Tourismusgewerbe für Sie geschaffen?

Der Tourismus und die Hotellerie sind ein dynamisches und spannendes Arbeitsfeld. Ich durfte all die Vorteile und so einige Nachteile eines familiengeführten Hotelbetriebes hautnah erleben und so kann ich voller Überzeugung sagen, dass ich viele wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse mit auf meinen Lebensweg und in meinen Beruf als Filmproduzentin nehmen konnte. Werte wie Leistungsfähigkeit, Leidenschaft für das eigene Tun, Kreativität, Offenheit, Flexibilität, Achtsamkeit für Ressourcen und Menschen habe ich früh vermittelt bekommen. Ebenso wie das Bewusstsein für ein verantwortungsvolles, kluges Denken und Handeln und die Erkenntnis, dass das größte Abenteuer das Leben selbst ist.
Eine Ihrer Produktionen beschäftigt sich mit einer erst in den 1980er Jahren wiederentdeckten Pionierin der Abstrakten Malerei: Jenseits des Sichtbaren: Hilma af Klint. Die schwedische Malerin beschäftigte auch die Spiritualität, die Welt jenseits, eben, wie der Titel suggeriert, des Sichtbaren. Was war Ihre Faszination mit ihr, was war Ihr Zugang zu dieser Frau?

Dazu möchte ich ein wenig ausholen und ein paar historische Fakten und Hintergründe zum Leben Hilma af Klints beleuchten: Hilma af Klint war eine selbstbewusste, gebildete Frau aus adeligem Hause und hat an der Königlichen Kunstakademie in Stockholm studiert – damals, um die 1880er Jahre war dies in Schweden bereits möglich. Sie war also eine gut ausgebildete Malerin, hat sich jedoch früh für ihren eigenen Weg entschieden: Sie wandte sich von der gegenständlichen Malerei ab und hin zur Abstraktion. Das bedeutete, dass sie als Malerin kein Geld verdienen konnte und es als Künstlern schwer haben würde, Anerkennung zu finden – im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen. Der Zeitgeist damals besagte nämlich, dass Männer Genies sein konnten, Frauen jedoch nicht. Einer der berühmtesten Vertreter der Abstrakten Kunst ist Wassily Kandinsky – er gilt als Pionier der Abstraktion und war ein Zeitgenosse Hilma af Klints. Er setzte sich genauso wie viele andere Künstler und Intellektuelle dieser Zeit mit Spiritualität und okkulten Themen auseinander. Das war nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich allerdings war, dass eine unverheiratete Frau aus Schweden das tat und schon vor Kandinsky abstrakt malte. Sie hat zudem in Serien gemalt und teilweise in riesigen Formaten. Ihre größten Bilder messen 3,20x 2,30 Meter und ihr Gesamtwerk umfasst über 1.000 Gemälde – das ist überwältigend. Die Tatsache, dass sie Künstlerin, Theosophin und Anthroposophin war und der Fakt, dass sie eine Frau war, verwehrten Hilma af Klint zu Lebzeiten und noch viele Jahrzehnte danach die angemessene Anerkennung als Künstlerin. Sie wurde erst in den letzten Jahren in den internationalen Kanon der Abstrakten Kunst aufgenommen und ist mittlerweile in Kunstkreisen und darüber hinaus zu großer Bekanntheit gelangt. Die Ausstellungen der letzten Jahre in den großen Museen Europas und weltweit – u.a. im Guggenheim New York sorgten für Furore und hatten zahlreiche Besucherrekorde.

Das erste Mal „begegnet“ bin ich Hilma af Klint 2013 in einer Ausstellung in Berlin im Museum Hamburger Bahnhof und war zutiefst beeindruckt von Ihrer Kunst und Ihrer Bildsprache. Als meine Kollegin und Regisseurin Halina Dyrschka und ich uns dann in der Folge mit der Persönlichkeit und dem Leben Hilma af Klints beschäftigten, war sofort klar, dass wir einen Film über diese außergewöhnliche Frau und Künstlerin machen wollen. So haben wir uns auf eine abenteuerliche Reise begeben, die sechs Jahre dauerte und uns viel Mut, Standhaftigkeit, Überzeugungskunst, Durchhaltevermögen und Leidenschaft abverlangt hat, um schließlich mit unserem Kinodokumentarfilm in 2019 die Weltpremiere in Schweden zu feiern.

Faszinierend an Hilma af Klint finde ich, dass sie eine wahre Pionierin und Vorreiterin war und ihrer Zeit weit voraus. Sie ist schon früh ihren eignen Weg gegangen und hatte eine ganzheitliche Sicht auf die Welt. Entgegen allen Konventionen und damaligen gesellschaftlichen Normen ließ sie sich auf Ihrem Weg nicht beirren und ist sich bis zu ihrem Tod treu geblieben. Ihr Leben und ihre Kunst zeugen von einem tiefen Verständnis des Lebens selbst. Ihre Botschaft ist aktueller denn je: Wir alle sind ein Teil eines größeren Ganzen - es ist nicht entscheidend, was wir erreichen, ob wir berühmt, erfolgreich, wohlhabend sind oder eben scheitern und unzufrieden sind. Am Ende zählt, ob wir die Herausforderungen des Lebens annehmen, sie meistern und die Chance ergreifen, uns auf unserem Lebensweg zu entwickeln und zu entfalten. Ob wir einen Sinn in unserem Denken und Handeln erkennen und unseren Platz in diesem Leben gefunden haben. Letztlich kehren wir am Ende zu uns selbst und zu unseren Ursprüngen zurück.
Wo lagen Ihre Themenschwerpunkte in den Filmproduktionen und warum?

Die Themen waren immer recht vielfältig – ein Schwerpunkt zu Beginn waren weniger die Themen, sondern vielmehr Genres wie Kinderfilme und Kurzfilme. Wir haben viele internationale Kurzfilme produziert mit Regisseuren aus verschiedensten Kulturen und Hintergründen, u.a. den USA, Syrien, Polen. Als Produzentin war es mir immer wichtig, Geschichten zu verfilmen, die einen anderen oder neuen Blickwinkel auf die Welt zeigen. Die unterhalten und dennoch zum Denken anregen.


Persönlichkeiten, die Sie im Laufe der filmischen Jahre besonders interessierten oder beeindruckten?

Mir fallen so einige Persönlichkeiten ein, die ich spannend und beeindruckend finde. Im Filmbereich sind das die Schauspielerin Meryl Streep oder der Regisseur Ang Lee. Aus anderen Bereichen die Ozeanografin Sylvia Earle oder die Verhaltensforscherin Jane Goodall. Im Sport ist es Martina Navratilova und sehr beeindruckt bin ich auch von unserer Südtiroler Alpinistin Tamara Lunger. Oft sind es jedoch Menschen und Persönlichkeiten aus meinem direkten Umfeld oder aus meinem Berufsleben, die mich beeindrucken und inspirieren durch ihre Fähigkeiten, ihre Klugheit, Begeisterungsfähigkeit und ihre herzliche, weltoffene Art.


Sie haben der Filmproduktion nun den Rücken gekehrt und steigen wieder in den Tourismus ein. Ist das eine Rückkehr oder ein Neustart?

Es ist beides: Eine Rückkehr aus einem erfüllenden und erlebnisreichen Lebensabschnitt und aus dem Leben in der Großstadt. Und ein Neustart hier in Südtirol. Speziell im Familienbetrieb kann ich mich voll einbringen und bin vor neue und spannende Herausforderungen gestellt. All meine bisherigen Erfahrungen kann ich mit einem Blick von außen einbringen und neue Ideen und Visionen für unseren Betrieb entwickeln und realisieren. Das ist eine wunderbare Aufgabe.


Das neue Leben im Burggrafenamt. Nach Jahren im Ausland sieht so mancher die eigene Heimat mit neuen Augen. Wie ist das bei Ihnen?

Mir geht das genauso. Wenn man einige Jahre im Ausland verbracht hat, ist ein neuer Blick auf die Heimat erfrischend. Denn viele Dinge, die das Leben in Südtirol ausmachen, sind andernorts nicht selbstverständlich. Besonders die Menschen und die Natur hier in Südtirol, die Qualität in den Dienstleistungen und in den Produkten, die aus Südtirol stammen, sind weltweit einzigartig und das ist von unschätzbarem Wert. Ich glaube, die Verbindung, die man zu seiner Heimat hat, bleibt ein Leben lang auf die eine oder andere Weise bestehen, selbst wenn man sich in irgendeinem Winkel am anderen Ende der Welt befindet. Und das ist gut so.

 
März 2024