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Er baut kulturelle Brücken von Venedig über Südtirol bis nach Kaliningrad, entwirft kostbare Schönheiten und arbeitet in der Goldschmiedewerkstatt Posthaus mit anderen Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerkern an der Sichtbarkeit des alpinen Erbes in Schmuckform: Konrad Laimer. Seine Wirkungsstätte ist das Posthaus in Meran, Schatzkammer und Genossenschaft zugleich. Dort ist er neben der kunsthandwerklichen Tätigkeit u.a. auch mit Aus- und Weiterbildung, der Organisation von Veranstaltungen oder Schätzungen beschäftigt. Und mit einem Stein, den es nur in der Meraner Naifschlucht gibt: dem Meranith.
Konrad Laimer, Sie sind seit vierzig Jahren auf dem Kontinent, aber nicht nur dort, unterwegs und haben mit Ihrem C.A.-Projekt Brücken zwischen der Adria, Südtirol und dem Baltikum bis nach Russland geschlagen. Was ist das Hauptanliegen des Claudia-Augusta-Projektes?

Handwerksgeschichte bedeutet interkulturelles Denken und Lernen. Es sind die Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker, die Kulturen mit ihren Artefakten definieren. Weltweit machen kunsthistorische Museen die Vielfalt der Artefakte und die Verbindungen zwischen den verschiedenen Kulturen sichtbar. Meine Motivation liegt genau an dieser historischen Schnittstelle des Handwerks.


Der Hauptanteil der weltweiten Bernsteinproduktion wird heute in Jantarny, Oblast Kaliningrad (Ostpreußen), abgebaut, also ganz in der Nähe der Ostsee. Sie kamen mit der Region eher zufällig in Kontakt. Und dann?

Im Jahr 2004 habe ich die Geschwister Helga und Kurt Schellmatt in ihrer alten Heimat Ostpreußen (heute Oblast Kaliningrad) begleitet. Nach der Flucht 1945 lebte die Familie in Oberbayern. Jeden Sommer seit 1964 (Ich war gerade mal vier Jahre alt) verbrachte die Familie Schellmatt den Urlaub bei uns in Rabland – so entstand diese Lebensfreundschaft mit der Familie aus Tilsit in Ostpreußen. Mit dem Besuch im Bernsteinmuseum Kaliningrad ergab sich auf meine Nachfrage, wer die schönen Goldschmiedearbeiten in der Museumsausstellung mache, die Verbindung zu den Kaliningrader Goldschmieden. Lev Romanenko, der Präsident der Kaliningrader Goldschmiedinnen und Goldschmiede, organisierte noch am selben Tag ein Goldschmied-Fest in seiner Werkstatt am unteren See von Kaliningrad. Das war der Beginn der Verbindung zur Region Oblast Kaliningrad (Königsberg) vor 20 Jahren.
Von der Adria bis nach Kaliningrad Brücken zu bauen – das ist sicherlich nicht in wenigen Wochen getan. Wie haben Sie die Anfänge gestaltet, wie waren die Entwicklungsschritte?

Zwei Jahre nach meinem Besuch in Kaliningrad hat mich Lev Romanenko nach Kaliningrad eingeladen – mit dem Anliegen, dass ich einen Vortrag zu meiner Arbeit, über italienische Schmuckkunst und Schmucktechniken für die Kaliningrader Schmuckszene halte. Im Frühjahr 2007 kehrte ich für diese Vortragsreihe in verschiedenen Werkstätten eine Woche nach Kaliningrad zurück. Die Gegeneinladung war zwei Wochen Italien für zwei junge Kaliningrader Goldschmiedinnen: Zhanna Lopatkina und Olga Schorokova. Gemeinsam mit der Schmuckkünstlerin und Lehrerin Barbara Paganin vom Liceo artistico Guggenheim Venezia, der Accademia Padova und meiner Werkstatt in Naturns organisierte ich 2008 für die beiden Goldschmiedinnen aus Kaliningrad eine Lehrreise ins Veneto und nach Südtirol. Nach 2009 ergab sich eine enge und regelmäßige Zusammenarbeit mit Studenten – Reisen, Ausstellungen und Wettbewerben zwischen Schulen, Werkstätten, dem Bernstein-Museum in Kaliningrad und den Schmuck-Schulen im Veneto.


„Wenn man Kunsthandwerk wirklich lebt, ist das grenzüberschreitende Arbeiten eine logische Konsequenz“, sagen Sie. Warum?

Weil Entwicklung nur so stattfinden kann – ohne Austausch findet keine Entwicklung statt!


Tritt man damit automatisch in jahrtausendealte Traditionen, was Austausch und Weiterentwicklung angeht? Für Weiterentwicklung eine logische und historische Konsequenz! Haben Sie den Kontakt zu Kaliningrad aufrechterhalten können? Gab es alternative Orte, wo Kunsthandwerkerinnen und Schmuckdesigner seit 2022 zusammentreffen konnten?

Wir sind und bleiben in Verbindung und denken und planen auch schon für die Zeit danach.


Ihnen geht es auch um das gesamteuropäische Erbe, das Verbindende. Welche Möglichkeiten bieten, Ihren Erfahrungen nach, Kultur und Kunst, die anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens fehlen? In das “gesamteuropäische kulturelle Erbe” zu investieren und daran zu arbeiten, davon steht nichts in den Statuten der Wirtschaftsunion EU. Interkulturelle Möglichkeiten öffnen sich nur, wenn man selbst daran arbeitet. Ihr Wirken scheint, wie bei der guten Küche, seine Kraft aus den Grundzutaten zu ziehen. Erklären Sie uns, wie das für Sie funktioniert? Materialien aus der Region beschäftigen Sie ganz besonders. Und das gilt nicht nur für den Meranith?

“Gioielli del territorio” so nennen die Mailänder Schmuck-Schulen die Goldschmiedearbeiten der Posthaus-Werkstatt in Meran. Der Alpenbogen als Inspiration: alpine Botanik, Fauna, Geologie und Historie. Diese vier Säulen sind die Grundlage für unser Design in unserer Werkstatt und Grundlage für die Workshops und Vorträge an verschiedensten Schmuck-Schulen und der Meisterklasse bei der „Milano Jewellery Week”, die jedes Jahr im Oktober stattfindet.
Im Posthaus Meran, einer Genossenschaft von leidenschaftlichen Schmuckbauern, scheint vieles möglich. Neben der Arbeit jeder und jedes einzelnen, der Produktions-, Reparatur- und Restaurationstätigkeit, dem Schaffen von Installationen und Skulpturen, organisiert das Posthaus weitere Projekte, die Teilnahme an Ausstellungen und Messen, aber auch Weiterbildungen und ist aktiv bei Lehrtätigkeiten im In- und Ausland. Wie bekommen Sie das alles auf die Reihe?

Wir teilen diese Faszination mit Werkstätten, Museen, Schulen und Studenten mit unseren Steinsuchern (Strahler) und mit unseren Schmuck-Kundinnen und -Kunden.


Sie waren ab 1987 im Posthaus in Naturns, einem kleinen Zentrum karolingischen Schaffens, wie Prokulus zeigt. Wie geht es Ihnen in Meran?

Alles hat seine Zeit – Meran ist ein neuer Abschnitt mit neuen Möglichkeiten, die zeigen, wie eine neue Generation den bestehenden Themenkreis erweitert und wie eine neue Formensprache entsteht.


Welche Reise möchten Sie mit dem Meraner Edelstein noch unternehmen?

Wir sind bereits auf einer Reise. Lassen wir uns überraschen.


Einer der wichtigsten Wünsche für die Zukunft?

Teilzunehmen an der Zukunft.


Und Südtirol betreffend?

Südlich von Südtirol fließt die Etsch ins Meer – Kulturen befinden sich immer im Fluss. Die Posthaus-Werkstatt versucht diese permanente Veränderung zu reflektieren und mitzugestalten.


September 2024

Posthaus
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