Ist Meran zeitgenössischer Architektur gegenüber aufgeschlossen?
Wie in anderen Gemeinden Südtirols sind in Meran zahlreiche Gebäude in zeitgenössischer Architektur zu
finden, wenn man den Zeitraum der letzten drei Jahrzehnte betrachtet. Dazu gehören Schulbauten,
Wohnhäuser und Hotelbetriebe, die ebenso in der Fachliteratur beschrieben sind. Zu erwähnen sind etwa
die Pfarrplatzpassage, das Haus für Veranstaltungen bei der Untermaiser Kirche, die Gebäude der
Thermenanlage, das Pflege- und Seniorenheim St. Josef und zahlreiche private Wohnhäuser in den
verschiedenen Stadtvierteln.
Gibt es gelungene Beispiele, wo Historisches mit Zeitgenössischem in Meraner Architektur vereint wurde?
Beispiele, wo Historisches auf Zeitgenössisches trifft, sind insbesondere in der Laubengasse und im
Steinachviertel zu finden. Zu nennen sind der Umbau eines Laubenhauses für den Verein Kunst Meran
oder ein Geschäfts- und Hotelbau in den oberen Berglauben, bei dem auch eine Passage neu gestaltet
wurde. Ebenso sehenswert sind Gebäude im Steinachviertel, insbesondere in der Hallergasse, wo das
Viertel durch Sanierungen und Erweiterungen eine große Aufwertung erfahren hat.
Gibt es auch das Gegenteil davon? Beispielsweise eine Meraner Bausünde, die Ihnen gegen den
(ästhetischen) Strich geht?
Einzelne Gebäude möchte ich nicht erwähnen, sondern stattdessen das Thema der Stadtplanung
ansprechen. Die vorbildliche Stadtplanung Merans aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg wurde
bedauerlicherweise nach 1945 nicht fortgeführt: Stadtgestalt und Stadtbaukunst, die das vielschichtige
Stadtbild eines vornehmen Kurortes hervorgebracht hatten, waren in den Nachkriegsjahrzehnten kein
vordringliches Thema mehr. Dies ist in vielen Bereichen ablesbar, gerade dort, wo nach 1945 in
Abwesenheit von Stadtplanung großflächig gebaut wurde.
Über die Publikation rund um das Eurotel, das 1959 eröffnet wurde, Teil einer großen Kette war
(zwischen den 1950er und den 1980er wurden rund 85 dieser Eurotels in Europa gebaut) und von
Armando Ronca gebaut wurde, deren Mitherausgeberin Sie sind, kamen Sie und Andreas Kofler dazu,
auch eine Ausstellung über die Arbeiten von Armando Ronca zu kuratieren. Was fasziniert so am
Eurohotel?
Es sind die Architektur und gleichzeitig die Geschäftsidee, die bei dem „Projekt Eurotel“ faszinieren. In
seiner Planungsphase noch in direkter Nachbarschaft zum Grandhotel Meranerhof und der Anglikanischen
Kirche gelegen, richtete sich das Augenmerk für das Pilotprojekt dieses neuen Hoteltyps auf die
Einpassung in den räumlichen Kontext und die Gestaltung einer repräsentativen, einprägsamen Fassade.
Dies gelingt Armando Ronca, dem Planer dieses Gebäudes, indem er die Kombination zweier Baukörper
vorsieht, die nach Norden die Straßenflucht der Thermenallee und nach Westen mit einer großen Geste die
Krümmung der Garibaldistraße aufnehmen. Die Hauptansichten sind plastisch gegliedert, die
Geschossdecken und die vertikalen Bänder rhythmisieren die Fassaden.
Würden Sie uns ein wenig vom Weg, den das Eurotel in den Jahrzehnten genommen hat, erzählen?
Das Eurotel in der Meraner Garibaldistraße gilt nicht nur als eines der Hauptwerke von Armando Ronca,
mit diesem Gebäude wurde 1959 erstmals das Konzept für eine neue Form der Hotellerie verwirklicht.
Das Eurotel-System verbindet das Prinzip des Hotels mit dem der Eigentumswohnung. Die Idee dieses
Hoteltyps entwickelte Armando Ronca zusammen mit der Bozner Bauunternehmerfamilie Vanzo, als
erster Standort dieses Konzepts wurde Meran ausgewählt. Nach dessen Eröffnung 1959 folgt eine Reihe
von weiteren Bauten nach Meraner Vorbild, die Eurotels befinden sich nicht nur in Italien, sondern auch
in Deutschland, in der Schweiz, in Österreich, Belgien, Spanien und in den Niederlanden.
Über zwei Jahrzehnte läuft dieses Geschäftsmodell erfolgreich. Hoher Verwaltungsaufwand, sinkende
Nachfrage oder auch finanzielle Probleme führen dazu, dass ab Ende der 1980er-Jahre eine Umwandlung
in Privatwohnungen (wie in Meran) oder in herkömmliche Hotels erfolgt. So sind vom ursprünglichen
Inventar von 36 Eurotels heute zwei Drittel 3- oder 4-Sternehotels.