Seide raschelt, Gepäck wird getragen, kaiserlicher Glanz legt sich auf den Schotter der Straßen Merans. Es ist der 16. Oktober 1870. Kaiserin Elisabeth reist mit einem Hofstaat von 102 Personen mit der vor kurzem in Betrieb genommenen Brennerbahn nach Meran. Es ist Schloss Trauttmansdorff, wo Zofen und Gouvernanten, Ankleidedamen und Köchinnen, Stallburschen und Zuckerbäcker, sogar Postbeamte im Dienst der Kaiserin monatelang hin- und herwuseln werden. Die Reiseverliebte – jetzt noch ohne das Anker-Tattoo auf ihrem Rücken – spaziert und wandert, reitet aus, atmet die milde Luft, vor allem ihre kränkelnde Tochter Marie Valerie soll in den folgenden acht Monaten Meran genesen. Was bald nach ihrer Ankunft der Fall ist.
Fast über Nacht gelangt der Ruf als Luftkurort in die Städte Europas, zu den Schlössern und Gütern der adeligen Elite, setzt sich in den Köpfen der Wohlhabenden fest – obwohl schon 1836 als Geburtsstunde des Meraner Kurtourismus gilt. Auch der Mediziner Bernhard Mazegger senior betreibt bereits seit 1840 die erste Fremdenpension „Freihof“, doch den glitzernden Kaiserinnen-Flair können seine Kaltwasserbäder nicht liefern. Nun wollen alle, die es sich leisten können, ein Stück vom Glück. In den folgenden Jahrzehnten reisen die halbe Aristokratie und das wohlhabende Bürgertum Europas, Reiselustige und Kurgäste aus Amerika oder Russland nach Meran. Es entstehen Prachtbauten und Villen, das Kurhaus, das Kurmittelhaus, das Stadttheater, 1873 lässt die Gasbeleuchtung Meran in neuem Licht erstrahlen. Et voilà: Die Stadt hat es geschafft. Sie ist hip und heilend und wahnsinnig en vogue.