Winter-Kehraus: Faschingsbräuche in Südtirol Winter-Kehraus: Faschingsbräuche in Südtirol Winter-Kehraus: Faschingsbräuche in Südtirol Winter-Kehraus: Faschingsbräuche in Südtirol Winter-Kehraus: Faschingsbräuche in Südtirol

Winter-Kehraus: Faschingsbräuche in Südtirol

Derb, urig und handfest: In manchen Gemeinden Südtirols und des Alpenraums haben sich uralte Fastnachtsbräuche erhalten. Mit viel Lärm und Trara wird gemäß überlieferter Tradition und mit erstaunlichem Facettenreichtum der Winter verabschiedet. Es wird gejohlt, geklappert, gekrächzt und geschellt, was das Zeug hält – Hauptsache laut und bunt.

Mal bahnen sich Furcht einflößende Riesengestalten den Weg durch die Zuschauermenge, mal sind es lustige (oder listige) Weiblein, die den Zaungästen Streiche spielen, mal rätselhafte weißgekleidete Figuren, die mit bunten Papierblumen geschmückt sind und am Rücken riesige Kuhglocken tragen. Der Fasching oder die Fastnacht – so der gebräuchliche Name im Alpenraum – markiert das Ende des Winters, der mit Kälte und Entbehrungen verbunden war. Mit dem Wechsel vom Winter zum Frühling konnte man wieder helleren Tagen entgegenblicken.

Die Ursprünge der Fastnachtsbräuche liegen allerdings im Dunkeln. Der Begriff selbst könnte vom althochdeutschen fasta (fasten) stammen und das ausgelassene Feiern vor dem Beginn der langen Fastenzeit bezeichnen. Doch auch Verbindungen zu vorchristlichen Riten, die sich um Fruchtbarkeit, Dämonen und den Wechsel vom Winter zum Frühling drehen, sind möglich. Wie dem auch sei, der „fünften Jahreszeit“ fiebern damals wie heute viele Menschen entgegen.


Eine Woche lang Ausnahmezustand
Die Fastnacht oder „Maschggra“ dauert in Südtirol sieben Tage lang: vom „Unsinnigen Donnerstag“ (Altweiberfasching) bis zum Faschingsdienstag, dem Tag vor dem Aschermittwoch befinden sich manche Gemeinden in Südtirol im Ausnahmezustand. „Maschggra“ wird der Fasching im Südtiroler Dialekt genannt: „Maschggra giahn“ bedeutet, sich zu verkleiden und sich so in der Öffentlichkeit zu zeigen oder an einem Umzug teilzunehmen. Wir haben einige der kuriosesten und buntesten Faschingsbräuche in Südtirol herausgepickt.

Zusslrennen in Prad am Stilfserjoch
Das Zusslrennen in Prad am Stilfserjoch im oberen Vinschgau ist einzigartig in Südtirol und findet am Unsinnigen Donnerstag statt. Junge Burschen ziehen als so genannte Zusslen durch die Straßen des Ortes. Ganz in weiß gekleidet und mit bunten Papierblumen geschmückt, tragen sie riesige Kuhglocken mit sich, die um den Bauch geschnallt werden. Diese Glocken wiegen 20 kg und mehr und machen dem entsprechend großen Lärm. Begleitet werden sie von sechs Schimmeln, ebenfalls in weiß gekleidete Burschen. Das Gespann wird vom Fuhrmann mit einer „Goaßl“, einer langen Peitsche angetrieben, die er laut knallen lässt. Es folgt der Sämann, der das „Korn“ (Sägespäne) in die Menge wirft, hinter ihm folgen drei Paare: Bauer und Bäuerin, Knecht und Dirn und zum Schluss „Zoch“ und „Pfott“, ein ausgelassenes, in Lumpen gehülltes Paar. Alle Teilnehmer sind sie mit landwirtschaftlichen Geräten ausgestattet und ziehen mit viel Lärm und Getöse durch die Gassen des Ortes, sei es um die bösen Geister und den Winter zu vertreiben oder das Korn aufzuwecken.

Proder Maschger
Ebenfalls in Prad am Stilfserjoch gibt es den Zug der Proder Maschger. Eine 17-köpfige Truppe samt Ziehharmonikaspieler zieht am Faschingssonntag und -Dienstag von Gasthaus zu Gasthaus. Sie besteht aus acht Paaren und dem „Bajaz“, dem in einem buntkarierten Kostüm gekleideten Mann mit Spitzhut und Stab. Dem „Bajaz“ folgen acht Paare, zu einer anderen Melodie tanzen, zu der der „Bajaz“ den Takt schlägt. Die Reihenfolge der Paare ist genau festgelegt: Herr und Frau, Tuxner und Tuxnerin, Bauer und Bäuerin, Steirer und Steirerin, Zigeuner und Zigeunerin, Zillertaler und Zillertalerin, Mohr und Mohrin sowie Zoch und Pfott - allesamt von Männern dargestellt. Während die Tanzvorstellung nach dem ersten Durchgang in streng vorgegebener Reihenfolge weitergeht, geht der Bauer mit seinem Hut reihum und sammelt Spenden, die Bäuerin bestellt Getränke für die „Maschger“, das Zigeunerpaar hingegen schleicht sich hinter die Theke und entwendet alkoholische Getränke. Auch das Publikum wird um Getränke und Zigaretten betrogen, Zoch und Pfott indessen gehen auf die Gäste los und küssen sich durch die Reihen. Sobald das Lied „Muss i denn zum Städtele hinaus“ ertönt, verlässt die Truppe das Gasthaus und zieht zum nächsten Lokal.

Egetmann-Umzug in Tramin
Alle zwei Jahre findet dort am Faschingsdienstag der Egetmann-Umzug statt. Es ist mit 800 (durchwegs männlichen) Teilnehmern der wohl größte Umzug in Südtirol. In monatelanger Vorbereitung werden Wagen geschmückt, Figuren repariert oder neu hergestellt und Verkleidungen vorbereitet. Der Umzug folgt einem genauen Drehbuch. Im Mittelpunkt steht der Egetmann-Hansl, dessen Hochzeit gefeiert wird. Die ausgelassene Hochzeitsgesellschaft besteht aus dem Wilden Mann und dem Jäger, dem Weißen und dem Grünen Bären, Schnappviechern, Fuhrmännern, Burgl und Burgltreiber, armen und reichen Zigeunern, Dreschern, Schustern, Schneidern, Boccamander, Fassbindern, Pfannenflickern, Schwarzbrennern, Hufschmieden, Waschweibern und vielen weiteren Figuren, die auf den Wagen und zu Fuß mitziehen und die Zuschauer unterhalten. Mit Ausnahme des Wilden Mannes und des Weißen und Grünen Bären trägt keiner der Mitwirkenden eine Maske, sondern sind lediglich mit Ruß oder Schminke bemalt. Ruß, Sägespäne, Staub und Konfetti sind auch reichlich für das Publikum vorgesehen. Eine Besonderheit des Egetmann-Umzugs sind die Schnappviecher oder Wudelen. Diese eigentümlichen Fastnachtsfiguren sind oft über drei Meter groß und haben einen krokodil- oder drachenähnlichen Kopf, der mit Fell überzogen ist. Sie besitzen Hörner, jedoch keine Ohren. Der Unterkiefer ist beweglich und schnappt mit lautem Klappern auf und zu.

Perkeos Maschggra

Perkeo ist eine historisch belegte Figur, die vor über 300 Jahren als Clemens Pankert in Salurn das Licht der Welt erblickt hat. Der kleinwüchsige Mann war zunächst von Beruf Knopfmacher. Der pfälzische Kurfürst Karl Philipp III. wurde auf den vorwitzigen und trinkfesten Mann aufmerksam und nahm ihn mit nach Heidelberg, wo er vom Hofnarren zum Mundschenk und Fasswächter aufstieg. Auf die Frage, ob er noch ein Glas Wein wolle, soll das Männlein immer mit der Frage: "Perchè no?" (Warum nicht?) geantwortet haben. Sein Spitzname Perkeo soll von diesem wiederholten Ausspruch stammen.
In geraden Jahren wird der Schlüssel zum Salurner Rathaus ebendiesem Zwerg Perkeo übergeben, der eine Woche lang die Geschicke des Ortes leitet. Für die Teilnehmer an „Perkeo's Maschggra“ gibt es einen eigenen Kodex, den „Kodex de Perkeo“. Eine Besonderheit dieses noch jungen Umzuges (2009) ist, dass hier auch Frauen teilnehmen dürfen.

Pflugziehen in Stilfs
Neben den „Proder Maschger“ oder dem „Zusslrennen“ zählt auch das „Pflugziachn“ in Stilfs zu den alten Faschingsbräuchen im Obervinschgau. Am Faschingssamstag um die Mittagszeit ziehen die teilnehmenden Figuren durchs Dorf: Bauern, Gesinde und fahrendes Volk. Alles dreht sich um den zentralen Gegenstand, einen Pflug, der von einem jungen Burschen, dem Pferd, gezogen wird. Am Ende des Umzuges treffen sich alle Figuren zum Knödelstehlen auf dem Dorfplatz. Die Bauern werden mit Knödel mit Kraut verköstigt. Die restlichen Figuren versuchen ebenfalls, etwas von dem guten Essen abzubekommen, werden jedoch mit Dreschflegeln abgewehrt. Am Ende muss jedoch niemand hungern, denn es ist genug für alle da.

Faschingstreiben für klein und groß
In den meisten Gemeinden Südtirols ist Fasching ein ausgelassenes Familienfest mit größeren oder kleineren Umzügen. Auch hier bedarf es wochenlanger Vorbereitungen der aufwändig gestalteten Wagen und teils liebevoll selbst hergestellte Verkleidungen für Groß und Klein. Vor allem in Dörfern mit einem regen Vereinsleben haben die Faschingsumzüge einen hohen Stellenwert und werden mit viel Aufwand auf die Beine gestellt.

Warum verkleiden sich Menschen zu Fasching?
Während der Faschingszeit akzeptiert es die Gesellschaft, wenn wir über die Stränge schlagen, Streiche spielen und uns nicht entsprechend der allgemeinen Konventionen verhalten. Indem wir in eine andere Persönlichkeit schlüpfen, können wir unerkannt die persönliche Verantwortung reduzieren. Damit eröffnen sich neue Rollen- und Verhaltensspielräume, sowie soziale Interaktionsmöglichkeiten, die in der Regel allesamt ohne unliebsame Konsequenzen bleiben.

Psychologen betonen, dass Verkleidungen wie Urlaub für die Psyche sind. Anders ausgedrückt: mit einer Verkleidung können wir Facetten unserer Persönlichkeit ausleben, der wir im Alltag zu wenig Beachtung schenken (dürfen). Es ist sozusagen unsere anarchische, wilde, freiheitsliebende Seite, die im „normalen“ Leben auf Grund gesellschaftlicher Konventionen unterdrückt wird. Viele Menschen haben Psychologen zufolge dieses zwangsläufig schlummernde Bedürfnis, das zu Fasching ausgelebt werden darf.

Auf ins Getümmel!
Versuche hätten gezeigt, dass Kleidungsstücke - wie etwa ein Arztkittel - durchaus Auswirkungen auf das Innenleben hätten. Zudem könnten Menschen, die ihre Identität in vielen verschiedenen Rollen ausleben und dafür ein positives Feedback erhalten würden, besser mit Rückschlägen umgehen. Dem inneren Piraten sollte man also nicht nur in der Karnevalszeit, sondern auch im Alltag etwas Raum geben. Also: nichts wie rein ins Faschingsgetümmel!

Tourismusverein Hafling-Vöran-Meran 2000 | 08.02.2024
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