Anna Gruber & Daniele Piscopiello
Sie ist Kindergärtnerin und Fotografin. Er hat Agrarwissenschaften studiert. Gemeinsam haben sie zwei Kinder, ein kleines Geschäft in Meran und bewirtschaften auf drei Hektaren Ackerflächen. Sie bieten Kurse für radikale Kleingärtnerinnen, sind Meister der Königsdisziplin Tomatenanbau, veredeln einige Produkte und kreieren wunderschöne Slow-Flower-Arrangements. Anna Gruber und Daniele Piscopiello haben verwirklicht, wovon andere träumen.
War ein landwirtschaftlicher Betrieb eigentlich schon immer euer gemeinsames Ziel? 

Anna Gruber: Für mich ging es um viele Themen, wie zum Beispiel die Möglichkeit, als Familie gemeinsam leben zu können und nicht durch die Arbeit getrennt zu werden, selbstverständlich ging es auch um den Wunsch nach Selbstversorgung – und der Unabhängigkeit in einem weiten Sinne. Und irgendwie wurde es dann ein landwirtschaftlicher Betrieb.  

Daniele Piscopiello: Ziel war es nicht, aber ein Traum, der nun in Erfüllung gegangen ist.


Der Weg dorthin. Was waren die ersten Schritte? 

Wir haben mit einem kleinen Acker angefangen, der uns als Familie mit Lebensmitteln versorgen sollte. Zu diesem Zeitpunkt stand nie im Raum, dass wir unseren Lebensunterhalt aus der Landwirtschaft bestreiten möchten. Aus diesem Garten haben wir die ersten Gemüsekisten an Freunde und Familie weitergegeben. Dann kam der Stein ins Rollen ...


Ihr bietet eine Vielzahl an Gemüse, Getreide und Blumenarrangements. Ihr liefert im Burggrafenamt Gemüsekistchen aus, betreibt einen kleinen Laden, arbeitet mit Gastronomiebetrieben zusammen, veredelt Produkte, bietet Kurse für Interessierte Neueinsteiger in den Gartenbau. Die Facebook und Instagram Seiten sind tip top, das Gemüse auch. Das ist arbeitsintensiv und zeitaufwendig. Und all dies mit zwei kleinen Kindern. Wie bekommt ihr das eigentlich auf die Reihe? 

Wir bekommen es auf die Reihe, weil es uns einfach Spaß macht und weil wir als Familie zusammenhalten. Es geht irgendwie und wenn nicht alles geht und ein Beet zum Beispiel verunkrautet, ist es auch nicht weiter schlimm. Wir haben unsere Leidenschaft zum Beruf gemacht, und wir sehen einen Sinn in unserer Arbeit, das macht es eigentlich recht fein zu arbeiten. Auch wenn es oft Wochen gibt, wo sehr viel Arbeit ansteht, wie zum Beispiel im September, wo die großen Ernten wie Kartoffeln und Getreide unter Dach und Fach gebracht werden müssen und gleichzeitig noch viel gepflanzt und gesät wird und wir wirklich viele Stunden arbeiten. Das Wichtigste ist eine gute Organisation, sich auf das Wesentliche zu fokussieren und sich einfach über das Erreichte zu freuen. Natürlich gibt es Momente, wo es an die Substanz geht, aber diese gibt es in jedem Beruf. Zudem war es uns immer wichtig, unsere Zeit mit den Menschen zu verbringen, die uns am liebsten sind: das heißt, unsere Kinder sind oft gewollt mit dabei. Sie nehmen am Leben und Arbeiten unserer Familie teil. Ist sicher nicht der einfache Weg, fühlt sich aber richtig an, auch wenn uns die Gesellschaft momentan andere Ideale vorlegen würde. 
Die größten Hürden auf dem Weg waren …? 

Da wir keinen eigenen Hof besitzen und zerstückelte Flächen im Raum Meran und im Oberen Vinschgau gepachtet haben, war und ist heute noch die Organisation der Arbeiten eine große Herausforderung. Aber mittlerweile haben wir ein Gespür entwickelt, wie wir die jeweiligen Jahreszeiten managen können, wir kooperieren viel mit anderen Biobauern und bekommen es so ziemlich gut hin, ohne uns zu übernehmen.


Die Blumen waren immer schon Teil der von euren bewirtschafteten Felder. Die Arrangements von Anna sind heiß begehrt für Hochzeiten und andere festliche Tafeln. Doch auf dem Acker haben sie eine weitere Funktion?
 
Ein Garten ohne Blumen ist kein Garten. Es ist einfach schöner, an einem Ort zu arbeiten, wo es ständig in allen Farben blüht. Blumen waren immer schon Teil unserer Philosophie im Garten, aus dem einfachen Grund ,weil sie Unmengen an Insekten anziehen, die uns im Garten helfen, schädliche Insekten für unsere Kulturen in Schach zu halten. Wir haben deshalb gezielt Blühstreifen angelegt, um diese Nützlinge in unsere Gemüsebeete zu locken. Daraus entstand dann unser Betriebszweig der Schnittblumen. Wir haben also aus einem rein ökologischen Aspekt im Garten uns ein weiteres Standbein innerhalb des Betriebs aufgebaut. Dabei ist der ökologische Aspekt gar nicht in den Hintergrund geraten, wir finden mittlerweile Insekten in unserem Garten, die im Meraner Raum sehr selten geworden sind, wie z.B. die Widderchen (Zygaenidae), die als Bioinidikatoren fungieren.
Daniele, du hast Agrarwissenschaften studiert. Welche Einsichten in die Landwirtschaft waren dabei hilfreich? Und was hat dir die Natur selbst gelehrt, dass du nicht im Studium lernen konntest? 

Das Bachelorstudium hat mir gute Grundlagen vermittelt, die für mich heute sehr hilfreich sind, wie z.B. Krankheiten an Pflanzen zu erkennen oder wirtschaftliche Grundlagen, um einen Betrieb zu führen. Was mir im Studium gefehlt hat, waren die Grundlagen des Gemüsebaus. Ich habe dann Kurse besucht und sehr viele Bio-Betriebe im In- und Ausland besucht, die mir wirklich weitergeholfen haben und immer noch helfen. Was mir im Studium auch gefehlt hat und was ich erst als Praktiker erkennen konnte, ist, dass man in der Landwirtschaft nicht nur durch Symptombekämpfung weiter kommen kann, sondern Ursachenforschung betreiben muss. Man muss eine ganzheitliche Sichtweise auf den Organismus Garten entwickeln und alles ineinander flechten und miteinander vernetzen können, damit dieser Organismus funktioniert. Jede Lebensform in einem solchen System, egal ob schädlich oder nützlich, spielt dabei eine wichtige Rolle.


Was sind eure veredelten Produkte? Wie kommen sie an? 

Seit heuer gibt es Sirupe wie zum Beispiel Holunderblütensirup aus unseren Hecken, die wir auch als ökologische Nischen angelegt haben und eingelegtes Gemüse wie unsere süß-sauren Zwiebelchen, unsere Getreideprodukte wie Polenta, Dinkelmehl und Haferflocken. Die Getreideprodukte werden gut angenommen, bei den anderen Produkten können wir noch keine Bilanz ziehen, da wir erst damit begonnen haben. Auch die Blumen und die Kreationen daraus zählen wir zu den veredelten Produkten, sie werden sehr gut angenommen. Wir starten ab kommenden Jahr ein neues Projekt an einem eigenen Standort, wo die Blumen im Fokus stehen werden, möchten aber noch nicht zu viel verraten. 


Habt ihr in den letzten 15 Jahren klimatische Veränderungen beobachten können? Gibt es Arten, die nun besser gedeihen, andere, denen es schlichtweg zu warm wird? 

Wir sind erst seit ca. 10 Jahren in der Landwirtschaft tätig, das ist im Verhältnis ein kurzer Zeitraum, um große Veränderungen im Anbau feststellen zu können. Was allerdings in den letzten drei bis vier Saisonen zu erkennen war, sind die deutlich extremer ausfallenden Wetterereignisse. Im Frühjahr z.B. beobachten wir sehr viel stärkere Windböen als noch am Anfang unseres Gartenprojekts, sowie die Intensität der Unwetter, die manchmal wirklich furchteinflößend sind. Auch die lange Trockenperiode im Sommer 2022 war zum Teil schwierig. In diesem Jahr beispielsweise sind die Herbstkulturen frühzeitig erntereif, sodass wir diese später hätten pflanzen können als üblicherweise. Oder die Melonen im Freiland – sie sind sehr gut gewachsen. Es sind Kleinigkeiten, die sich aber nächstes Jahr nicht bestätigen müssen. Wir werden weiter beobachten und uns anpassen.
Funktioniert das eigentlich, diese kleinen Lebewesen in die Kategorien Nützlinge oder Schädlinge zu stecken? Ist es wirklich so einfach oder habt ihr andere Beobachtungen machen können? 

Es ist ganz einfach, ohne Schädlinge gibt es keine Nützlinge, da die Nützlinge auf die Schädlinge als Nahrungsquelle angewiesen sind. Man muss im Organismus Garten also die Balance halten zwischen Schädlingen und Nützlingen, um den Garten gesund zu erhalten. Man kann also vereinfacht sagen, dass auch schädliche Organismen Nützlinge sind, weil sich ohne diese keine Nützlingspopulation aufbauen kann. Wenn Schadorganismen einer Kultur den Garaus machen, dann liegt die Ursache tiefer, z.B. eine Bodenverdichtung durch eine falsche Bodenbearbeitung, kann die Pflanze im Wachstum stören, weil diese ihren Wurzelapparat nicht mehr optimal entwickeln kann und somit schwach wird und für schädliche Organismen empfänglicher ist. Meistens ist also nicht der Schädling „schuld“ an einem Misserfolg, sondern andere Faktoren. Das ist im Prinzip die Ursachenforschung, die als Landwirt betrieben werden muss – wie oben angesprochen.


Was braucht es für einen guten Boden? Kommt ein gesunder Boden langfristig ohne tierischen Mist aus? 

Das ist eine sehr komplexe Frage, da der Boden und alle Prozesse, die darin stattfinden, sehr komplex sind und heute noch nicht zur Gänze erforscht sind. Wir legen sehr viel Wert darauf, den Boden lebendig mit Zwischenfrüchten und Einsaaten zu halten und so Humus aufzubauen, um die Bodenfruchtbarkeit langfristig zu erhalten. Auch kompostieren wir Rinderstrohmist selbst und füttern somit unseren Boden. Ein Boden kann durchaus ohne tierischen Mist langfristig auskommen, denken wir an einen Waldboden, das ist an sich ein sehr gesunder Boden, der nicht gezielt gedüngt wird. Wir arbeiten jedoch mit dem Boden und wollen daraus ernten. Ich denke, man wird ohne tierischen Mist nicht auskommen, wenn man langfristig gute Ernten erzielen möchte. Das ist auch die ökologischste aller Düngemethoden, da wir im Bioanbau nicht auf künstlich hergestellte Dünger zurückgreifen möchten und dürfen. Aus diesem Grund möchten wir, und tun es auch schon, Tiere im Garten integrieren, um diesen Kreislauf zu schließen. Es ist eine Kombination aus vielen Faktoren, die die Bodenfruchtbarkeit sicherstellt; schonende Bodenbearbeitung, lebendige Verbauung mit Zwischenfrüchten und Einsaaten, kompostierter Mist sowie den Boden bei jeder Tätigkeit im Garten zu respektieren. 


Welche Form von Kreislaufwirtschaft habt ihr heute schon? 

Unsere Hühnerschar bekommt die Reste unserer Getreideproduktion und verwandelt diese in wertvollen und sehr nährstoffreichen Dünger, den wir gezielt für unsere Starkzehrer einsetzen können. Bei den Ackerflächen im Vinschgau kooperieren wir mit einem Biobauern. Wir säen in der Fruchtfolge mehrjähriges Kleegras ein, welches sehr wichtig für den Humusaufbau ist, der befreundete Bauer mäht das Kleegras als Futter für seine Tiere und wir bekommen dafür Mist für unsere Ackerkulturen, mehr brauchen wir nicht für einen erfolgreichen Ackerbau. Weiters möchten wir Schweine im Betrieb integrieren, um die Gemüsereste die Anfallen zu verwerten und somit eine weitere Mistquelle zu generieren. Durch die vielen Hecken und Bäume am Betrieb fallen viele Holzabfälle an, die wir häckseln und dem Mist beim Kompostvorgang beifügen, dieses Lignin sorgt für stabile und langfristige Humusverbindungen.
Wassermangel und Wetterextreme machen der Landwirtschaft heute zu schaffen. Welche Rolle spielt die Vielfalt eines Ackers für die Zukunft des Ackerbaus? 

Gerade weil sich Wetterextreme häufen, sollten wir auf Vielfalt in der Landwirtschaft setzen. Eine Monokultur ist nicht nur anfällig für Krankheiten aller Art, sondern auch finanziell ein Risiko. Wenn ich diese eine Kultur verliere, stehe ich als Landwirt mit nichts da. Wenn ich hingegen einen vielfältigen Betrieb habe, dann ist dieser gegenüber Wettereinflüssen und Schäden resilienter, da bei Ausfall von einer Kultur dann andere Kulturen da sind, die ein Einkommen sichern. Zudem sollten wir eine ehrliche und konsequente lokale Lebensmittelversorgung anstreben, dann ergibt sich die Vielfalt von selbst, denn wer will schon das ganze Jahr Äpfel und Butter essen ...


Kurz für den Laien erklärt: Warum ist biologische Landwirtschaft weniger Energie- und Ressourcen-intensiv? 

Ich will vorausschicken, dass wir aus vollster Überzeugung Bioland zertifiziert sind. Jedoch gestehen wir uns ein, dass eine Bio-Zertifizierung noch lange nicht das Ziel für uns ist. Es ist die Basis, auf die wir aufbauen. Durch eine Zertifizierung können wir unseren Kunden sichern, dass wir einen Mindeststandard einhalten, der kontrolliert wird. Beispielsweise sind künstlich hergestellte Dünger im Bioanbau tabu, diese werden durch hohen Energieeinsatz gewonnen, z.B. das Haber-Bosch-Verfahren, um Stickstoffdünger herzustellen. Auch Futtermittel dürfen bei Bioland, das einen höheren Standard als die EU-Bio Zertifizierung bietet, nur aus Bioland-Gebieten bezogen werden, sprich aus Deutschland und Südtirol und einigen Ausnahmen aus z.B. benachbarten EU-Ländern. Somit vermeidet man, dass z.B. Soja aus Südamerika verfüttert wird. Ein gutes Beispiel in der Tierhaltung, das zeigt, dass Bio die Grundlage ist, jeder Landwirt aber weiter gehen kann; hier ist der Trend hin zu Kraftfutter-freier Fütterung, sprich: der Landwirt bemüht sich um die beste Qualität seines Futters, das von seinen Flächen kommt und kann somit auf Kraftfutter verzichten, bzw. dieses stark reduzieren. 


Eure Wünsche für die Zukunft? 

Betrieblich ist unser Ziel, ein kleines landwirtschaftliches Grundstück im Burggrafenamt zu erwerben, wo wir uns dauerhaft niederlassen können. Noch haben wir nichts Passendes gefunden, aber wir haben keine Eile damit. Persönlich wünschen wir uns, als Familie so zufrieden mit unserem Schaffen zu sein wie bisher und dass es uns weiterhin so viel Spaß macht zu Gärtnern. 

 
Oktober 2023

D|A Genussgarten
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