Peter Mitterhofer. 200 Jahre alt wäre er am 20. September 2022 geworden – Grund genug, dem talentierten Erfinder aus Partschins ein paar ausführliche Zeilen zu widmen. Geschrieben mit dem Instrument, dessen Ursprünge seine Handschrift tragen.
Mit der Erfindung der Schreibmaschine hat Peter Mitterhofer den Grundstein für die moderne PC-Tastatur gelegt und damit unsere heutige (Arbeits-) Welt entscheidend geprägt. Im Laufe seines bewegten Lebens verwirklichte er Ideen, die teils erst viele Jahrzehnte später in die Tat umgesetzt wurden. Ideen, die bei seinen Mitmenschen allzu oft auf Unverständnis und Ablehnung stießen. Peter Mitterhofer war ein Tausendsassa, ein Visionär, ein Mann mit vielen Talenten, ein Zimmermann, ein Musikant, ein Bastler. Vor allem aber war er ein Pionier der Schreibmaschine. Lange musste er auf die verdiente Anerkennung warten. Zu lange.
Seiner Zeit voraus
Die Entwicklung der Schreibmaschine gehört zu den interessantesten Kapiteln der Geschichte der Technik. Viele Tüftler und Erfinder haben sich in Vergangenheit beharrlich um die Weiterentwicklung und Perfektionierung dieses einzigartigen technischen Hilfsmittels bemüht. Leider stieß ihr Tun und Schaffen meist auf Ignoranz und Ablehnung. Ein Schicksal, das insbesondere den Mann ereilte, den die Fachwelt heute zu Recht als Schreibmaschinenpionier der ersten Stunde bezeichnet.
1864 baut Peter Mitterhofer in Partschins seine erste Schreibmaschine. Weitere Modelle folgen. Technisch ausgeklügelt und bis ins kleinste Detail durchdacht, ist Peter Mitterhofer mit seinen Schreibapparaten der Zeit voraus. Schon seine ersten Modelle weisen alle Merkmale einer „richtigen“ Schreibmaschine auf. So sind Typenhebelkorb, dreireihige Blocktastatur und Mehrfachschaltung bei ihm längst Standard, als die „Sholes & Glidden“ Schreibmaschine in den USA Jahre später ihren Siegeszug feiert. Und anders als bei den amerikanischen Apparaten, unterscheiden Mitterhofers Modelle bereits zwischen Groß- und Kleinschreibung und produzieren „sichtbare Schrift“.
Seine Erfindung ist also ein Meilenstein, dennoch findet Peter Mitterhofer nicht die Beachtung, die er verdient. Nicht zu Lebzeiten, als er verzweifelt um Anerkennung kämpft, und nicht in den Geschichtsbüchern, in denen er kaum erwähnt wird. Erst viele Jahrzehnte später, lange nach seinem Tod, würdigt die Wissenschaft seine herausragende Leistung. Und die Vermutung liegt nahe: Wären Mitterhofers Schreibmaschinen damals in die richtigen Hände gelangt, wer weiß, ob wir heute nicht eine ganz andere Geschichte schreiben würden…
Peter, der Tischlersohn
Am 20. September 1822 wird Peter Mitterhofer als erstes von neun Kindern in Partschins geboren. Sein Geburtshaus ist das ehemalige Sagschneiderhaus an der Töllbrücke, in dem damals auch eine Brettersäge untergebracht war. Nach Beendigung der Schulzeit geht Peter bei seinem Vater in die Tischlerlehre. Später lernt er das Zimmermannshandwerk. Schon früh zeigt sich, dass Peter mit großer Geschicklichkeit und Erfindungsgabe gesegnet ist. Da er auch gerne singt und musiziert, die finanziellen Mittel aber nicht ausreichen, nutzt er sein handwerkliches Talent, um sich seine Musikinstrumente kurzerhand selbst zu bauen: eine Zither, eine Gitarre, ein dreisaitiges Raffele und das selbsterfundene Hölzerne Glachter, eine Art Xylophon aus Holz, das „lachende Töne“ erzeugt. Dieses Instrument bringt ihm übrigens den Spitznamen „Peter mit dem hölzernen Glachter“ ein.
Vom Hölzernen Glachter zur Schreibmaschine?
Das von Peter erfundene Hölzerne Glachter war ein kleines, leicht tragbares Klavier mit Tasten und Verbindungshebel, dessen Hämmerchen auf wohlabgestimmte Holzplättchen schlugen. Der Gedanke liegt nahe, dass ihn dieses Musikinstrument, das vom Aufbau her ähnliche Merkmale aufweist, zur Konstruktion der Schreibmaschine inspiriert haben könnte.
Peter, der Zimmermann
Nach mehreren Jahren im väterlichen Betrieb, zieht es Peter im Alter von 26 Jahren in die weite Welt. Wie es die Berufssitte der Zimmermannszunft erfordert, geht er „auf die Walz“, um sein fachliches Wissen in verschiedenen Handwerksbetrieben fernab der Heimat zu erweitern. Sein Weg führt ihn nach Wien, nach Deutschland, in die Schweiz, nach Frankreich und in die Balkanländer. Neben seiner Arbeit als Zimmermann und Tischler, findet er in dieser Zeit auch die Möglichkeit, seine künstlerischen Talente zu entfalten. Mit seinen selbstgebastelten Instrumenten tritt er als Sänger, Musikant und Bauchredner auf und verdient sich damit ein Zubrot.
Peter, der Entertainer
Es lässt sich nicht genau sagen, wann Peter Mitterhofer wieder zurück nach Partschins kommt. Tatsache ist, dass er seine musikalisch-künstlerischen Fähigkeiten auch in seinem Heimatdorf weiter ausübt. Er tritt in Gasthäusern auf und lädt zu „Abend-Unterhaltungen“, bei denen er das Publikum mit Singen, Kunstpfeifen und Bauchreden unterhält. Gern versucht er sich auch als Dichter. In seinen Schnaderhüpfeln – heiter-spöttische, aus dem Stegreif gesungene Verslein – nimmt er immer wieder mal die Dorfbewohner auf den Arm und zieht mit Schalk und Ironie gegen die Engstirnigkeit der Gesellschaft zu Felde.
Peter, der Außenseiter
Mit seinen eigenwilligen Anschauungen und mitunter sozialkritischen Äußerungen kommt Peter Mitterhofer nicht bei allen gut an. Im Dorf gilt er als Sonderling, der sich nach Ansicht vieler die Zeit mit sinnlosen Basteleien vertreibt. Vor allem dem Pfarrer und dem Bürgermeister ist der unbequeme Selbstdenker, der mit seiner Meinung nie hinterm Berg hält, ein Dorn im Auge. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Peter Mitterhofer im Laufe seines Lebens des Öfteren mit den Dorfautoritäten in Streit gerät. Einmal muss er sogar für mehrere Wochen ins Gefängnis.
Peter, der Erfinder
1862 heiratet der nunmehr 40-jährige Peter die Zimmermannstochter Marie Steidl und zieht mit ihr in deren Elternhaus, das Zimmermannshaus im Obergarten in Partschins. Es ist in dieser Zeit, dass in ihm der Gedanke reift, einen Apparat zu bauen, der den Vorgang des Schreibens erleichtern soll. Viele Tage und Nächte verbringt Peter Mitterhofer fortan damit, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Erst mit Leidenschaft, später mit Manie, werkelt er von 1864 bis 1870 beharrlich an seinen Konstruktionen, vernachlässigt seine Arbeit als Zimmermann und scheut weder Mühe noch Opfer, um seine Idee von einer einwandfrei funktionierenden Schreibmaschine zu verwirklichen.
Der Gang nach Wien
Zweimal – 1866 und 1869 - pilgert Peter Mitterhofer in seinem Leben nach Wien, um dem Kaiser seine Erfindung zu präsentieren. Für den Transport seiner Schreibmaschinenmodelle 3 und 5 bastelt er kurzerhand aus einem Schubkarrenrad eine Rückentrage. Daran befestigt er eine ebenfalls selbstgebaute Transportkiste. Mit 50 kg Gesamtgewicht auf dem Rücken und einer großen Portion Enthusiasmus, legt Peter Mitterhofer zweimal die Strecke von 650 km zurück. Zu Fuß. Von einem Bekannten in Wien lässt er sich ein Bittgesuch schreiben und darf mit seiner Erfindung tatsächlich am kaiserlichen Hof vorstellig werden.
Herbe Enttäuschung
Von seinem ersten Besuch in Wien, 1866, kehrt Peter Mitterhofer hoffnungsvoll mit einem wohlwollenden Gutachten und einer kaiserlichen Subvention von 200 Gulden zurück. Erfreut über die Würdigung seiner Arbeit, macht er sich mit Eifer daran, seine Schreibmaschine zu perfektionieren. Als er 1869 sein fünftes Modell erneut den kaiserlichen Beratern in Wien vorstellt, erlebt Peter die Enttäuschung seines Lebens. „Eine praktische Anwendung sei nicht zu erwarten“, lautet das ernüchternde Fazit der Gutachter. Für den Kaufpreis von 150 Gulden lässt Peter Mitterhofer Modell Nummer 5 am Hof zurück, wo es als Ausstellungsstück einer Sammlung kurioser Erfindungen endet.
Die letzten Jahre
Resigniert kehrt Peter Mitterhofer wieder nach Partschins zurück. Die Hoffnungen auf eine Weiterentwicklung oder gar Serienherstellung seiner Schreibmaschine haben sich für ihn zerschlagen. Peter Mitterhofer tüftelt nicht mehr an neuen Ideen und arbeitet fortan als Bauer. Doch sein Erfindergeist kommt nicht gänzlich zum Erliegen. Um seiner kranken Frau die Hausarbeit zu erleichtern, erfindet er in seinen letzten Lebensjahren noch eine hölzerne Waschmaschine. 1893 stirbt Peter Mitterhofer einsam und allein in Partschins.
Zum Schaden der Spott
„Die Anderen, die von ihm lernten, durften die Früchte seines Talentes ernten“ – Dieser Satz, der auf dem Grabstein von Peter Mitterhofer in Partschins eingraviert ist, bringt sein tragisches Erfinderschicksal auf den Punkt. Vier Jahre, nachdem Peter Mitterhofer seiner Passion für die Schreibmaschine resigniert abgeschworen hat, geht in den USA die Firma Remington, damals noch Waffenhersteller, mit ihrer „Sholes&Glidden“ – auch bekannt als Remington Nr. 1 – in die Serienproduktion. Die Schreibmaschine ist ein Verkaufsschlager.
Späte Ehren
Mit einfachsten Werkzeugen und ohne fremde Hilfe baute Peter Mitterhofer in einer Zeit von etwa fünf Jahren fünf Schreibmaschinenmodelle. 2006 wird ein weiteres Versuchsmodell aus Holz identifiziert, das Experten eindeutig dem Erfinder aus Partschins zuordnen. Heute weiß man: Dass Peter Mitterhofers Schreibmaschinen damals keine Beachtung finden, erweist sich als folgenschwere Fehleinschätzung. Erst 1911, als auf dem Dachboden seines Wohnhauses in Partschins zufällig drei seiner Modelle gefunden werden, rückt Peter Mitterhofer wieder ins Licht der Öffentlichkeit. Und endlich erkennt auch die Fachwelt den wahren Wert seiner „Basteleien“.