Was für ein windiger Tag in Karthaus und dennoch wiegen sich die Straßen in einer sanften Ruhe, angeschmiegt an steile Hänge. Das Kloster noch suchend, steht man bereits mittendrin. Eingewoben zwischen den Häusern atmen die ehemaligen Gemäuer des Kartäuser-Klosters Allerengelberg. Die stille Skulptur vorbeiziehender Mönche krönt den Dorfbrunnen. Die kleine Kapellentür drängt den Besucher in die Knie. Vögel singen in die Stille hinein.
Sich einkaufen ins Paradies: Ein Lebemann als Investor?
Das Wohlwollen im Jenseits wollte Graf Heinrich von Tirol sich und den Seinen bestimmt erkaufen, als er den heimatsuchenden Mönchen 1326 den Grund samt 10 Höfen schenkte. Der eigentliche Mutterorden - la Grande Chartreuse - wurde 1084 in einer einsamen französischen Gebirgsgegend gegründet. Als Ort der Kontemplation sollte auch die Kartause im Schnalstal in kargster Abgeschiedenheit errichtet werden. Der Graf hatte wohl einiges zu verbüßen und die Mönche, mit Hilfe der Bauern, ein großes Bauvorhaben umzusetzen.
Ein stiller Orden: Ein stiller Ort?
Über 450 Jahre waltete der Kartäuserorden im Dorf. In weiße Kutten gekleidet lebten die Mönche schweigend und streng zurückgezogen ein Leben im vierstündigen Takt der Gebete.
Folgt man heute dem leisen Wind, vorbei am Trapez der einstigen Klosterküche, wird man in den Kreuzgang gelockt. Die Schritte verhallen im Echo, kleine Steinfenster geben den Blick auf die sanft gewellte Wiese frei. Zur Rechten die einstigen Zellentüren, heute liebevoll dekorierte Wohnungseingänge. Durch dunkle Schlitze lassen sich Blicke in noch dunklere Keller erhaschen. In den Mauernischen befinden sich noch heute die einstigen Essensluken der Mönche. Stumme Berichterstatter einsamer Mahlzeiten.
Ein Geist, so leicht wie der Wind
Im strengsten Ora et Labora gingen die hochgebildeten Kartäusermönche ihrer vorwiegend geistigen Tätigkeit nach, zogen Heilkräuter und -pflanzen und ernährten sich, für die geistige Klarheit, durchwegs fleischlos.
Ihre vollkommene Abkehr von der äußeren Welt ließ jedoch keinen Dienst an der Bevölkerung zu, während sie zeitgleich von den Bauern der Umgebung in Abhängigkeit lebten – ein Dilemma, welches den Unmut der Bevölkerung auf sich zog, zu gewaltsamen Aufständen und schlussendlich auch zur Auflösung des Ordens führte. 1782 ging Allerengelberg, so wurde Karthaus noch zu Ordenszeiten genannt, an 24 Familien über. Das kontemplative Leben der Mönche war in Karthaus vorbei. Wohin sie gingen? Sie verstreuten sich mit dem Wind.
Die Stille bleibt - Ein Dorf der Rätsel und Verwandlungen?
Die ehemalige Klosteranlage wurde Stein um Stein in das heutige Dorf verwandelt. Die quadratischen Zellen der Mönche wurden zu mehrstöckigen Wohnhäusern umgebaut, die Kräutergärten sind es teilweise heute noch. Das Kirchenschiff der ehemaligen Klosterkirche ist nun als Gaststube für Geselligkeit geöffnet, eine von vielen charmanten Umwidmungen der Dorfbewohner. Auch wurden bei Umbauarbeiten erst jüngst menschliche Gebeine samt kostbarer Knöpfe und einiger anderer Schätze entdeckt. Ein Prior? Ein weiterer stiller Paradiesinvestor?
Karthaus birgt heute noch viele Geheimnisse. Das kleine Dorf in den Bergen und das Kloster Allerengelberg scheinen voll der unsichtbaren Ordnungen und der nicht entschlüsselten Symbole zu sein. Ein Kleinod, in einer Welt, die bis ins kleinste Detail vermessen zu sein scheint.
Mit dem Kulturprojekt Silentium werden dem offenen Betrachter Vergangenheit und Gegenwart nahegebracht. In stillen und bewegten Bildern wird zum Ordensleben informiert und dazu eingeladen, die vielen Klänge der Karthäuser-Stille zu erfahren.