Selbstbildnis als Franz Kafka, der seine Erzählung „Die Verwandlung“ niederschreibt
Urs Lüthi. Hommage an Franz Kafka, 2015
Urs Lüthi (Kriens, 1947) ist Experimentalkünstler und Pionier der Body Art und wurde in den späten 1960er Jahren mit seinen künstlerischen Erkundungen der Vielfalt, Ambiguität und Fragmenthaftigkeit von Identität international bekannt. Seit den berühmten fotografischen Selbstporträts der 1970er Jahre, in denen er als Femme fatale oder androgyne Figur posierte und bewusst absurde und befremdliche Situationen inszenierte, dreht sich Lüthis Reflexion um die Bedeutung des Autobiografischen.
Nicht ohne Grund betitelt der Künstler sein Werk für Meran erst als „Selbstbildnis“, also nicht als Bildnis von Franz Kafka (Prag, 1883 – Kierling, 1924), es ist nämlich der Künstler, der sich in der Haut des Schriftstellers, „als“ dieser wiederfindet, während er seine Erzählung niederschreibt. Auf diese Weise schafft Lüthi ein komplexes Zusammenspiel der Verweise. Nicht nur, dass er der Identität Kafkas die eigene überstreift, zugleich spielt er auch auf die Verwandlung des Protagonisten der Erzählung, des jungen Geschäftsreisenden Gregor Samsa, in ein ungeheures Ungeziefer an.
Im Frühjahr 1920 weilte Kafka, der an Tuberkulose erkrankt war, zuerst zur Kur im Grand Hotel Emma in Meran, danach in der Pension Ottoburg in Untermais; auf diese Zeit gehen zahlreiche Briefwechsel zurück, darunter auch die berühmten Briefe an Milena.