Zugegebenermaßen lässt sich über ihren ästhetischen Wert streiten, das Prinzip dieser „künstlichen Hornhaut“ leuchtet aber ein und Robert widerspricht meiner Annahme, dass man Gehen nicht verlernen kann: „Wenn wir in Schuhen laufen, haben wir ein gänzlich anderes Bewegungsmuster als wenn wir barfuß laufen. Durch gepolsterte Schuhe, sitzende Tätigkeiten und glatte Böden stimulieren wir unsere Füße nicht mehr. Die Folge sind schwache Muskeln und Bänder sowie eine gehemmte, fast schon ängstliche Art des Gehens – vor allem dort, wo das gewohnte urbane Umfeld mit seinen immer gleichen Tritten und Stufen einer natürlichen Umgebung weicht.“ Immer wieder steht Robert auf, um seine Erklärungen mit praktischen Beispielen zu untermauern, erzählt vom Vorderfußlauf, Fersenaufprall und Knieschmerzen. Ich nicke nachdenklich. „Schwache Füße sind in der Ersten Welt weit verbreitet. Das dämpfende und stützende Schuhwerk ist zwar gut gemeint, aber unterfordert unseren Bewegungsapparat. Barfußlaufen, vor allem auf unebenem natürlichem Untergrund ist da ein guter Ausgleich.“ Lächelnd fügt er hinzu: „Und obendrein fühlt es sich einfach gut an, den Boden unter den Füßen wieder richtig zu spüren.“
Das Konzept der Five Fingers war auch deshalb so revolutionär, weil es plötzlich einfach all das wegließ, was den Schuh bisher ausmachte – schützen, federn, stützen. Nachdem mehrere Firmen den Entwurf ablehnten, wagte sich der italienische Sohlenhersteller Vibram an das riskante Projekt und brachte 2005 das erste Modell auf den Markt. In den USA stieg die Nachfrage rasant: „Die Amerikaner sind grundsätzlich offener für Neues, aber so schnell das Interesse da ist, so schnell verlieren sie es wieder. Der europäische Markt ist konservativer, wächst langsamer, aber nachhaltiger.“ Kein Wunder, dass der unerwartete Erfolg ein Raunen in der konventionellen Schuhbranche auslöste. Die Natur weiß vermutlich besser, was sie tut, als die gängigen Sportschuhhersteller.
Dann leeren wir die Kaffeetassen, greifen unsere Sportrucksäcke und Robert sagt: „Ich kenne da einen Ort am
Sonnenberg.“